Spekulationen über einen brisanten Polit-Handel: Tauscht Obama die Ukraine für Atom-Deal mit Iran?

Bahnt sich zwischen den USA und Russland ein brisanter Polit-Deal zur Ukraine und dem Iran an?

Fakt ist: US-Präsident Barack Obama und der russische Präsident Wladimir Putin führten am Rande des Asien-Pazifik-Gipfels (Apec) in Peking überraschend mehrere Gespräche. Dabei ging es um die Ukraine und um Syrien, aber auch um den Iran.

Die beiden hätten sich mehr als zweimal in den Pausen des Gipfelprogramms getroffen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

In US-Medien wird bereits gemunkelt, dass sich womöglich ein unausgesprochener Deal zwischen beiden Ländern anbahnen könnte.

Die Spekulation geht so: Obama könnte Russland womöglich in der Ukraine-Krise gewähren lassen, wenn Putin den USA im Gegenzug hilft, ein Atom-Abkommen mit Israels Erzfeind Iran zustande zu bringen.

Ein solches Szenario entwickelt etwa der Kolumnist Roger Cohen in der „New York Times“. Cohen schreibt unter der Überschrift „Die Iran-Ukraine-Affäre“, er behaupte nicht, dass es einen formellen Iran-Ukraine-Handel zwischen der Obama-Regierung und Putin gebe: „Aber ich behaupte, dass der russische Führer ein scharfes Auge für Amerikas Schwäche hat und ein ausgezeichnetes Gespür für Timing.“

Das plötzliche Aufflackern neuer Kämpfe in der Ostukraine und die plötzliche Bereitschaft der Russen, bei den Atom-Verhandlungen mit dem Iran vor Ablauf der vereinbarten Frist am 24. November, fallen nach Cohens Ansicht nicht zufällig zeitlich zusammen. „Das ist Teil der russischen Strategie und derzeit machen die Vereinigten Staaten mit“, mutmaßt der Autor.

Der Atomstreit mit Iran

Derzeit laufen intensive Verhandlungen zwischen dem Iran und den fünf UN-Atommächten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland, um vor Ablauf einer Frist am 24. November ein Abkommen zur Beilegung des jahrelangen Atom-Streits zu erreichen.

Ab 18. November kommen dann alle Parteien in Wien zum finalen Treffen zusammen. Bis zum 24. November wollen die sieben Staaten eine Einigung erzielen und den fast 12-jährigen Konflikt zu einem Ende bringen.

Die Regierung in Teheran hatte im November vor einem Jahr mit den fünf UN-Vetomächten sowie Deutschland ein vorläufiges Atomabkommen ausgehandelt. Darin hatte sich der Iran zur Beschränkung seines Nuklearprogramms bereit erklärt, im Gegenzug waren Sanktionen gegen das Land gelockert worden. Nun geht es um ein dauerhaftes Abkommen.

Der Westen verdächtigt den Iran, sich mit seinem Atomprogramm Material für Kernwaffen verschaffen zu wollen. Der Iran beteuert dagegen, kein Interesse an Atomwaffen zu haben und die Kernkraft ausschließlich zur friedlichen Energiegewinnung einsetzen zu wollen. Doch das Misstrauen gegenüber Iran ist nach wie vor groß.

Immer wieder, zuletzt am Montag, warnt auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor einer überstürzten Einigung. Wenn der Iran nicht gezwungen würde, entscheidende Teile seines Atomprogramms aufzugeben, könne er jederzeit kurzfristig doch noch Atombomben herstellen, fürchtet Israel, das sich vom Iran in seiner Existenz bedroht sieht und deshalb gegen jede atomare Aufrüstung des Mullah-Regimes in Teheran Sturm läuft.

Kolumnist Cohen vertritt nun in der „New York Times“ die Ansicht, ein Nuklear-Abkommen wäre gut für die USA, den Iran und die Welt. Obama sei die Bedeutung klar.

Das zeige sein Brief an den iranischen Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei, über den kürzlich berichtet worden sei. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal” vor einigen Tagen hatte Obama in einem Brief an Chamenei Interesse an einer Zusammenarbeit gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (ISIS) bekundet. Eine Kooperation in dieser Angelegenheit sei jedoch abhängig von einem Einlenken des Iran im Atomstreit, hieß es dem Blatt zufolge in dem Brief, dessen Existenz Diplomaten bestätigten.

Kolumnist Cohen schreibt: „Das Abkommen ist die letzte Hoffnung für irgendeine bedeutsame Hinterlassenschaft von Obama im Nahen Osten. Es ist klar, dass er es will.“

Der unausgesprochene Preis für ein Abkommen mit dem Iran dürfe aber nicht der „Verlust der Ukraine und der Zusammenbruch der Nato“ sein. Putin habe bereits die Krim annektiert, obwohl Russland 1994 ein Abkommen unterzeichnet habe, „die Unabhängigkeit und Souveränität und existierenden Grenzen der Ukraine zu respektieren“. Es sei der Fehler des Westens gewesen anzunehmen, dass Putin keine ernsthaften Pläne habe, die Sowjetunion in neuem Gewand wiederauferstehen zu lassen.

Angst vor dem russischen Hammer

Mit Blick auf die Ukraine trage die gegenwärtige russische Aufrüstung alle Anzeichen für die Vorbereitung einer Offensive. Unter Berufung auf einen nicht näher genannten ehemaligen Nato-General, der kürzlich Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko geführt habe, schreibt Cohen, Geheimdienste schätzten, dass etwa 45 000 russische Soldaten an der Grenze postiert seien. Es gibt Berichte über Geister-Konvois mit russischen Kräften ohne Hoheitsabzeichen, die in die Ostukraine eingesickert sind.

Die Ukrainer seien frustriert, weil sie einen „Hammer auf sich zukommen sehen“, habe der Ex-General gesagt.

Der Westen habe seine Besorgnis geäußert. „Aber Besorgnis und Beunruhigung stoppen keinen Hammer“, kritisiert Cohen . Falls die Ukraine verloren gehe, dann sei Amerikas Versprechen gegenüber seinen Nato-Verbündeten im Baltikum und in Osteuropa nicht länger als glaubwürdig anzusehen. Er hoffe, endet Cohen, im Weißen Haus werde nicht nach der Devise gehandelt, man könne die Russen nicht wegen der Ukraine ärgern, weil sie gegenüber dem Iran hilfreich seien. Darauf wetten wolle er nicht, schreibt Cohen und schließt mit den Worten: „Eine Iran-Ukraine-Affäre ist plausibel.“

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